In Deutschland gab es im Mai 2009 den ersten Scheiß-Streik. Zu den Intentionen schreiben die Initiator_innen:
Für das Geld machen wir den Scheiss nicht mehr… weg!!!
Als Beschäftigte im Bereich der ambulanten Pflege und persönlichen Assistenz von Behinderten haben wir genug von ständigen Lohnabsenkungen, Reallohnverlusten und immer katastrophaleren Arbeitsbedingungen. Es reicht!Gegen die anhaltende Abwertung unserer Arbeit wollen wir ein deutliches Zeichen setzen. Deshalb rufen wir alle in diesem Sektor Beschäftigten dazu auf: Beteiligt Euch am Scheiß-Streik.
Die Aktionsform ist neu:
Da behinderte und kranke Menschen nicht einfach nicht mehr unterstützt werden können, wurde aufgefordert im Aktionszeitraum „den täglich anfallenden Scheiß nicht mehr einfach still schweigend entsorgen, sondern den Scheißefluss unmittelbar zu all den Akteuren umleiten, die für die zunehmend beschissenen Arbeitsbedingungen in diesem Sektor verantwortlich sind„.
Mit Scheiße befüllte Kotröhrchen werden „an unterschiedliche private und gemeinnützige Pflegedienstanbieter, an die paritätischen Wohlfahrtsverbände, politischen Entscheidungsträger, Zeitarbeitsfirmen, Vermittler von ausländischen Billigpflegekräften und alle anderen, die als einzigartiges Interessenskartell dafür sorgen, den gesamten Pflegebereich in den Niedriglohnsektor zu drücken“ versendet.
Die Homepage Jenseits des Helfersyndroms informiert über die Aktion. Die Initiative Minderheiten hat im Rahmen von „Radio Stimme“ eine Sendung zum Thema Glasröhrchenpost. Ein Interview zum ersten deutschland – weiten Scheißstreik gestaltet, über diese bin ich durch die Ausstrahlung auf Radio FRO auf den Streik aufmerksam geworden.
Nachtrag: Die Aktion hat sich aber schon länger bis Österreich herumgesprochen. haftgrund und eBetriebsrat berichteten.
2 Kommentare
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31. Mai 2009 um 10:33
Andrej
Super Aktion find ich! Das Problem ist ja ein gigantisch großes.
Die Probleme und die Belastungen die Mitarbeiter in den Pflegeeinrichtungen nehmen immer mehr zu!
Kleines Beispiel aus meinem persönlichen Umfeld:
Mein lieber Vater ist demenzkrank. Er befindet sich seit 3 Jahren in einem Pflegeheim. Die Zahl der dort beschäftigten MAInnen hat seit dem beständig abgenommen. Angeblich findet man keine entsprechend ausgebildeten Arbeitskräfte.
Es handelt sich um eine Mitteleklasse-Einrichtung, die etwa 2.500,- € im Monat kostet. Wir können froh sein, dass diese Kosten über die Rente meines Vaters zu decken sind.
Im Frühjahr nun kam ein Kündigungsschreiben mit einer Preiserhöhung um sage und schreibe knapp 260,- €/Monat. Dafür sind zur Mittagsessenzeit 2 Pflegekräte und 1 Hilfskraft zum Versorgen (Füttern und anschließendem Frischmachen der 20 peflegebedürftigen Senioren) anwesend.
Die Pflegekräte müssen regelmäßig Doppelschichten fahren und können nicht in Urlaub gehen, bzw, werden bei Krankheitsfällen aus dem Urlaub zurück geholt. Gleichzeitig werden sie so beschissen bezahlt, dass sie z.T. nebenher als Reinigungskräfte arbeiten müssen, oder aber als Pflegekräfte für private Unternehmen parallel arbeiten müssen!
Würden nicht regelmäßig Angehörige der Patienten (auch meine Mutter ist tgl. mehrere Stunden im Pflegeheim, um sich um meinen Vater zu kümmern) zu den Essenszeiten in der Station erscheinen, um bei der Fütterung zu helfen, wäre die Arbeit nicht zu bewältigen.
Darauf verlassen scih die Betreiber und wenn Ersatz für gekündigte Pflegekräfte „bekommt“, dann handelt es sich um 1-Euro-Jobber, die zwar keine Ahung, dafür aber meist jede Menge Unlust mitbringen. So ist wenigstens nominal auf dem Papier die „notwendige“ Zahl der Pflegekräfte vorhanden.
Ich weiss, dass es in Deutschland mal sowas wie eine Pflegerichtlinie gab, die festlegte, was Pflegekräfte leisten können und wieviele Kräfte notwendig sind, um die Patienten umfassen zu versorgen. Als man feststellte, dass es vielö zu wenig Pflegekräfte gibt in den einzelnen Einrichtungen, wurde die Richtlinie sofort wieder ausser Kraft gesetzt.
Das Problem ist also bekannt. Aber wie üblich ist Geld das Hauütproblem.
Der Gesetzgeber und die Pflegeeinrichtungen verlassen sich auf das schlechte GEwissen der Mitarbeiter und der Angehörigen und beuten darum die MitarbeiterInnen gnadenlos aus. Dies trifft übrigens genauso auf kirchliche Einrichtungen zu!
Schöne Grüße von Andrej
31. Mai 2009 um 11:50
andreame
Danke, Andrej, für den persönlichen Bericht. Ja, ich glaube das schaut so ähnlich aus in Österreich. Es ist einfach zu wenig Geld da, um einerseits faire Arbeitsbedingungen – in einem sowieso schwierigen und persönlich belastenden Bereich – zu haben und andererseits auch wirklich gute Pflege/Betreuung für die Betroffenen anzubieten. Und das in den reichsten Ländern der Welt!