Foto: tschörda
Linz wird 2009 die Kulturhauptstadt Europa sein. Das klingt ja ganz nett – außer man/frau blickt hinter die Fassaden. Die jüngsten Entwicklungen rund ums Ars Electronica Center (AEC), einem städtischen Kulturbetrieb, zeigen, dass Kultureinrichtungen in der künftigen Kulturhauptstadt offenbar nicht fähig sind, arbeitsrechtliche Mindeststandards einzuhalten. Es laufen derzeit drei Klagen von AEC-MitarbeiterInnen auf reguläre Anstellungen, vier sind in Schwebe. Die Gebietskrankenkasse hat festgestellt, dass etliche freie MitarbeiterInnen des AEC ins Angestelltenverhältnis übernommen werden müssten (OÖN). In Linz ist es schon lange kein Geheimnis mehr, dass in den grossen Kultureinrichtungen von Stadt und Land (AEC, Landesmussen, OK, Lentos, …) prekäre Arbeitsverhältnis für den Großteil der MitarbeiterInnen mehr die Regel denn die Ausnahme sind. Miese Stundenlöhne, atypische Beschäftigungen, fehlende Absicherung bei Krankheit oder Arbeitsunfälllen, beliebiges Rumschieben von MitarbeiterInnen je nach Bedarf und der Mangel jeglicher Transprenz sind Ausdruck dieser unhaltbaren Zustände. Mit allen möglichen Tricks wird versucht, hier Personalkosten zu sparen, was die verantwortlichen PolitikerInnen offenbar auch unverhohlen zugeben – nicht anders können die Aussagen von SPÖ-PolitikerInnen interpretiert werden, die empfehlen mit Anstellungen zurückhaltend zu sein (OÖN). Der künstlerische Leiter des AEC Gerfried Stocker meint lapidar „Wir haben aber beispielsweise auch Computerfreaks, die gar kein normales Angestelltenverhältnis wollen und lieber frei sind“ (ORF online).
Santa Precaria gratuliert den MitarbeiterInnen, die jetzt ihre Rechte einfordern – und wünscht sich noch viel mehr, die das gleiche tun. Kunst und Kultur, die eigentlich gesellschaftliche Verantwortung zeigen und anregen müsste, wird durch diese prekären Arbeitsverhältnisse zu einem Bereich degradiert, der Vorreiterin für die Aushebelung sozialer Mindeststandards ist – mit Folgewirkungen auch in anderen Bereichen. Dem muss Einhalt geboten werden. Im Interesse der konkret Betroffenen – und im Interesse von uns allen!
3 Kommentare
Comments feed for this article
13. Dezember 2008 um 22:31
kulturblogger
Arbeitsrechtliche Mindeststandards einzuhalten, ist ein weit verbreitetes Problem in Kulturbetrieben – nicht nur in Linz. Und tatsächlich kommt eine Menge Verlogenheit darin zum Ausdruck, wenn man einerseits so mit seinen Mitarbeitern umgeht, und andererseits in der Kunst die Möglichkeit sieht, der durchkapitalisierten Konsumgesellschaft den Spiegel vorzuhalten.
14. Dezember 2008 um 0:15
andreame
Danke für Deinen Kommentar. Ja, das hast du wohl recht, dass das sicher kein Linzer Spezifikum ist – nur da gibt es halt gerade diese aktuelle Geschichte. ich hoffe ja, dass da in gewisser Weise ein Präzidenzfall daraus wird – denn nur wenn sich die Betroffenen diese Zustände nicht mehr gefallen lassen, kann es ein Ende der Verlogenheit geben, wie Du sie ganz richtig beschreibst.
8. April 2009 um 22:22
Prekariat am Magistrat, am Beispiel AEC Linz « Santa Precaria
[…] Precaria berichtete über Prekäre Verhältnisse in der Kulturhauptstadt Europas 2009 – MitarbeiterInnen des AEC klagen!. In der aktuellen KUPF-Zeitung findet sich zu diesem Thema ein sehr lesenwerter Beitrag von Franz […]